December 28, 2007 by alex
Meine letzte und gleichzeitig beeindruckendste Session des ersten Tages hatte den Titel What is Terrorism?. Dabei berichtete Anne Roth von ihrem Leben als Freundin eines Terrorismusverdächtigen. Ihr Freund wurde eines Tages ohne Vorwarnung von der Polizei wegen Terrorverdacht festgenommen. Seitdem und auch schon davor stehen die beiden plus Freunde und Verwandte unter ständiger Überwachung durch die Polizei. Der Vortrag war voller irgendwie schon lustiger Anekdoten (“Ich habe meine Mutter angerufen, um den die Leitung abhörenden Polizisten zu sagen, dass ich jetzt gern fernsehen würde, die Wanze aber den Empfang stört”), zum Anderen kamen aber auch Details zutage, die einen an den Fähigkeiten der deutschen Polizei zweifeln lassen. Das Gute ist, dass das Ganze inzwischen in Annes Blog verfügbar ist. Sehr lesenswert.
Der 2. Tag begann mit einer Session auf deutsch. Steini berichtete über die neuesten Entwicklungen im Bereich der e-Books. Klassische Displays hatten bisher vor allem das Problem, zum Einen in sehr heller Umgebung (Sonnenlicht, ahhh) schlecht lesbar zu sein, zum Anderen meist nach ein paar Stunden ihr batteriebetriebenes Leben auszuhauchen, bis ihnen an einer Steckdose wieder neues eingehaucht wurde. Seit einigen Jahren versuchen nun die Hersteller, durch sogenannte eInk Displays diese Probleme zu lösen, indem diese statt selbst zu leuchten das Umgebungslicht reflektieren und bei ausbleibender Energieversorgung ihren Inhalt nicht verlieren. Die Probleme dieser Displays sind zur Zeit noch eine recht lange Umschaltzeit (teilweise 500ms) sowie eine kurze Lebensdauer (ein paar tausend Umschaltzyklen). Diese Probleme scheinen in den Labors aber langsam gelöst zu werden, sodass in 1-2 Jahren mit tatsächlich brauchbaren eReadern zu rechnen ist.
Neben den technischen Neuerungen gab es Hinweise auf mögliche wirtschaftloche und gesellschaftiche Veränderungen. Dem Buchmarkt könnte mit einem Durchbruch von eReadern etwas ähnliches wie der Musikindustrie blühen. Die Verlage verlieren an Macht, da die Buchverkäufe zurückgehen, Autoren werden entlassen, Buchläden gehen pleite. Eine mögliche Entwicklung wäre, dass die nun arbeitslosen wieder Zeit habenden Autoren in Eigenregie ebooks herausgeben könnten. Wie in der Musik würden die Verwertungsketten wesentlich kürzer werden (Autor -> Leser statt Auto -> Verlag -> Händler -> Leser), und damit die Preise fallen könnten. Ein weiterer interessanter Hinweis: zur Zeit muss ein Sachbuch min. 300 Seiten dick sein, damit es von einem Verlag teuer verkauft werden kann. Dies zwingt die Autoren mitunter dazu, ein Buch mit eigentlich 50 Seiten Inhalt auf die geforderte Größe aufzublähen. Durch ebooks und die entsprechend geringeren Kosten wäre es auch möglich, 50seitige “Mini-Bücher” herauszubringen. Da würde man endlich mal ein paar mehr davon schaffen.
Durch die verkürzten Produktionssyklen (kein Druck, Distribution in Läden usw.) wird es weiterhin denkbar, Bücher in kleineren Teilen herauszugeben. Als Beispiel wurden Fortsetzungsromane genannt, von denen jede Woche ein weiteres Kapitel erscheinen würde, das sich ohne Probleme on demand an die Leserschaft verteilen ließe.
Zum Schluß gab’s noch den obligatorischen Hinweis auf die “illustrierte Fibel für die junge Dame” aus Diamond Age. In diesem Roman spielt ein vernetztes, interaktives eBook eine große Rolle, das ein kleines Mädchen bei seiner Entwicklung begleitet und ihm eine Art elektronische “Kindersitter” ist.